Gruppenfoto aller Beteiligten bei der Notarztfortbildung - Rechte bei Franz Thoma, Landsberger Tagblatt

Die Stimmung am See, wenn es in der Nacht noch geregnet hat, es in der Früh noch bewölkt ist und dann am späteren Morgen der erste Sonnenstrahl durchbricht, der Hoffnung gibt, auf einen herrlichen Tag. Diese Atmosphäre zaghafter Vorfreude noch gemischt mit Zweifeln, ob sich das Schöne wohl durchsetzen mag....kennen Sie das auch? Wenn ja, dann können Sie ein wenig nachfühlen, was ich empfand, als ich am Morgen des 16.07. auf der Terrasse der Wasserwachtstation in St.Alban stand und auf den See sah. An diesen ersten Zeilen merken Sie auch schon, dass der kommende Artikel wohl kaum ein neutraler Bericht werden. Das ist so, denn was aus einer einfachen Fortbildung für Notärzte wurde, hat mich überrascht, beeindruckt, gerührt und sehr dankbar gemacht und wenn ich so voller Emotionen bin, kann ich einfach keinen objektiven Bericht schreiben. Anders gesagt, wenn Sie nun neugierig geworden sind, was mich denn am 16.07. bei der Wasserwacht so bewegt hat, dann müssen Sie da jetzt einfach durch.

In meiner Doppelfunktion als Fortbildungsbeauftragter der Notärzte am Ammersee Westufer und Wasserwachtsarzt der Ortsgruppe Dießen, lag es nahe, einmal zusammen mit der Wasserwacht eine Fortbildung für Notärzte zu organisieren. Die Unwägbarkeiten dabei waren auf beiden Seiten groß: wie viele meiner Notarztkollegen wären denn bereit an einem freien Wochenende, also in Ihrer Freizeit, eine freiwillige mehrstündige Fortbildung zum Thema Wasserrettung mitzumachen? Wie viele Helfer der Wasserwacht kann ich davon überzeugen, sich ehrenamtlich an einem Samstag für eine Gruppe Ärzte abzuschuften?

Es kamen nicht alle Ärzte, aber es waren viele da, mehr als erwartet. Fünfzehn insgesamt, angefangen bei den ganz Jungen, die gerade erst als Notärzte begonnen haben, bis zu den "alten Hasen", die schon fast immer, seit es denn Standort am Ammersee gibt, dabei sind. Und von der Wasserwacht? Ich glaube alle Aktiven, die es beruflich irgendwie einrichten konnten waren da und haben geholfen. Manche waren dabei, die sieht man gar nicht. Die haben ihren privaten Pavillon mitgebracht und aufgebaut, damit die Notärzte nicht in der prallen Sonne üben müssen, oder im Hintergrund Kaffee gekocht und am Abend die Hütte geputzt. 

Und die, die ich gesehen habe? Die Wasserretter und Bootsführer haben ihr technisches Wissen und Ihre Erfahrungen weiter gegeben. Kompetent, ruhig und so sympathisch, dass sie anschließend von den Ärzten mit Fragen gelöchert wurden. Aber auch die Ärzte wurden eifrig befragt und gaben Antwort. Und so konnten beide Seiten viel voneinander lernen.

Martina Hirn, die regelmäßig Gruppenstunden für den Wasserwachtsnachwuchs hält und die Kinder so langsam, schrittweise und mit viel Spaß an die Aufgaben als Wasserretter heranführt, mit Ihnen an Wettbewerben teilnimmt, auch mal den Rettungshubschrauber oder die Leitstelle besichtigt oder im Sommer ein Zeltlager veranstaltet, hatte die Kinder sehr gut als Verletzte geschminkt. Und die Kinder und Jugendliche waren tolle Schauspieler. So gut und realistisch, dass sich manche Notärzte beim Eintreffen des Bootes mit den schreienden "Verletzten" wirklich zusammennehmen mussten, um konzentriert zu bleiben. Bei allen Ärzten ging in diesem Moment der Puls hoch wie bei einem echten Einsatz. Toll gemacht von der Jugend!

 

Was gab es zu lernen?

Zu Beginn haben wir eine Wasserrettung demonstriert. Zwei Wasserretter gingen vom Boot in den See um eine Ertrinkende Person zu retten. Die professionelle Lagerung im Wasser auf das Rettungsbrett und Bergung auf das Motorboot zeigten den Zuschauern wie anstrengend und schwierig die schonende Rettung aus dem Wasser ist. Die Notärzte hatten nun ein gutes Verständnis davon, was auf dem See passiert, bevor sie den Patienten schließlich an Land zur Behandlung erhalten.

Danach wurde in Kleingruppen geübt. Die Ärzte durften auf einem wackelnden Ruderboot versuchen, die Venen eines Phantomarmes zu treffen oder auf einem wackelnden Motoboot einen Patienten (natürlich auch dargestellt von einer Übungspuppe) zu reanimieren und zu intubieren. Besonders interessant war dabei, dass wir uns auf die Ausstattung der Wasserwacht beschränkt haben, die Ärzte also nicht ihr gewohntes Equipment zur Verfügung hatten. Für manche Kollegen war das wirklich eine ungewohnte Erfahrung und allen hat diese Übung damit wirklich etwas gebracht. An dieser Station wurde auch das Boot und unser Equipment gezeigt und erklärt.

Die anderen zwei Übungen simulierten Notfälle am See und im Strandbad.

Zum einen stellten wir einen Bootsunfall nach, bei dem ein Jugendlicher eine Kopfverletzung, ein weiterer einen offenen Unterschenkelbruch und die anderen Kinder einen Schock erlitten hatten. Gerade der Umgang mit körperlich unverletzten Kindern, die aber völlig apathisch oder wimmernd  am Rand des Ereignisses sitzen, fordert Notärzte in einer Qualität, die man im Studium nicht lernen kann. Die Kinder spielten ihre Rollen so realistisch, dass es gut war, dass wir zuvor der Rettungsleitstelle Bescheid gegeben hatten, dass wir nur üben. Großes Können zeigten in dieser Situation aber auch die Notärzte, die sich teilweise völlig auf die Lage eingelassen und fast vergessen haben, dass es sich um eine Übung handelte. Obwohl Knochenbrüche und Kopfverletzungen Alltag im Notarztdienst sind, bedeutet der Umgang mit vor Schmerzen schreienden Kindern immer Streß und so war es für alle eine gute Sache, auch das mal wieder zu üben. Erwartungsgemäß brillierten bei den apathischen Kindern die "alten Hasen", die sich mit aller Routine und Ruhe der Kinder annahmen, diese vom Ereignis ablenkten und in einen ruhigen Bereich brachten.

Die Strandbadnotfälle "Sonnenstich" (einmal sogar lebensbedrohlich) wurden natürlich von allen schnell erkannt und gut behandelt. Diese Übung diente eher dazu bei einem unkomplizierten Fall die Behandlungsräume der Wasserwacht und das Equipment kennenzulernen, um sich bei einem wirklichen Notfall dann besser zurecht zu finden.

Und niemand ist perfekt, auch Bootsführer, Wasserretter und Notärzte nicht und so gab es kleine Rumpler mit dem Motorboot an den Steg ebenso, wie Notärzte, die man doch auch aus der Ruhe bringen konnte. Sei es, dass sie mit einer (absichtlich) leeren Batterie der Diagnostiklampe gekämpft haben oder erkennen mussten, wie wenig man alleine ohne Equipment auf einem Boot für den Patienten tun kann und trotzdem schon mit dem wenigen heftig gefordert ist.

Alle haben voneinander gelernt. Die Aktiven von den Notärzten und umgekehrt. Und alle haben sich miteinander ausgetauscht. Die Notärzte, die ja sonst selten zusammen arbeiten untereinander, aber auch mit den Aktiven der Wasserwacht. Wir haben uns besser kennengelernt.

So hatten wir am Samstag inkusive Aufabu,-Abbau und Schminkzeiten fünf Stunden Action am See. Begeisterte Teilnehmer, erschöpfte aber auch begeisterte Aktive der Wasserwacht und mich als am Ende völlig überdrehten Organisator.

 

Und die Moral?

So wie in der Rettungskette jeder Einzelne wichtig ist, damit der Patient optimal versorgt wird, so war am Samstag jeder einzelne Teilnehmer und jeder Helfer von der Wasserwacht wichtig, damit es eine so gute Fortbildung wurde. Aber das war für mich noch nicht das Besondere. Das Besondere war, dass jeder einzelne genau das gespürt hat, ja wusste, wie wichtig die anderen sind. Wie wir Hand in Hand geübt und gearbeitet haben. Die Ärzte zeigten großen Respekt gegenüber den Wasserrettern und auch gegenüber den Kindern und Jugendlichen, die die Patienten gespielt haben. Die Wasserretter und Kinder fühlten umgekehrt genau so. Und so war es eine Begegnung auf Augenhöhe, ein echtes Miteinander, dass uns allen sehr viel Spaß gemacht hat.

Damit war der Nachmittag auch ein Erfolg für unsere Patienten. Denn je besser wir die Fälle üben, je besser wir uns kennen und miteinander harmonieren, desto besser können wir gemeinsam unsere Patienten versorgen. 

 

Und mein persönliches Resumee?

Trotz aller personeller Schwierigkeiten, die wir in der Wasserwacht haben und all den Problemen, die es -nicht zuletzt auch politisch- im Notarztwesen gibt, habe ich gelernt, wir können das, wir können gemeinsam etwas bewegen. Vielleicht nur kurz, vielleicht nur im Kleinen, aber immer für unsere Patienten, für die Menschen hier am See.

Es war ein sonniger Tag...und wenn Sie auch manchmal nachts am See stehen, auf die erleuchtete Kirche von Andechs rüber schauen und dann im lauen Wind den Frieden über dem Wasser spüren, dann kennen Sie das Gefühl von Ruhe und Dankbarkeit, das ich gerade empfinde.

Liebe Kollegen bei der Wasserwacht und liebe Kollegen im Notarztdienst 

Vergelt's Gott!

Die Rechte für alle in diesem Artikel gezeigten Fotos liegen bei Franz Thoma, Landsberger Tagblatt. Vielen Dank, dass wir sie hier verwenden dürfen 

PS: nur zur besseren Lesbarkeit wurde im vorstehenden Artikel bei der Beschreibung von Personengruppen grundsätzlich die männliche Form gewählt. Natürlich waren auch viele Helferinnen,  Bootsführerinnen, Retterinnen und Notärztinnen anwesend, die ich sehr schätze und damit in keinster Weise diskriminieren möchte